Lecture, Bonn,
August 3, 2003: Neo-Templars, P.3
Die Templer hielten ihre Gottesdienste in einem Saal des Pariser
»Hofes der Wunder« in der Nähe der Porte Saint-Denis ab. Eine Inschrift über
dem Portal markierte den Eingang in die Domäne der »Ursprünglichen Katholischen
Kirche«. Die ehrbaren Ritter des Tempels, zumeist Gelehrte,
Verwaltungsangestellte oder Kaufleute, zelebrierten feierlich, mit Chorhemd und
Stola bekleidet, das johannitische Abendmahl und rezitierten die Homilien vor
ihren Brüdern, die mit ihren Ehrenzeichen angetan und dem bloßen Schwert in der
Hand der Messe beiwohnten. Zu einem der wichtigsten Feste des Ordens schickten
sie bestimmten Logen Einladungen, auf denen sie sich als Eingeweihte von der
Art der Kinder Hirams bezeichneten. Einige Freimaurer folgten dem Ruf und
nahmen, angetan mit ihren Ordensbändern und »Kleinodien«, inmitten der Versammlung
Platz. Anfangs kamen viele aus Neugier, von dem Schauspiel angezogen, das ihnen
umsonst geboten wurde, aber in dem Maß, wie der Reiz des Neuen verflog, wurden
es immer weniger. Der Opferstock, in den die Teilnehmer an den Gottesdiensten
ihre Gaben werfen sollten, blieb hoffnungslos leer, so daß die Templer dieses
kostspielige Schaustück aufgeben mußten und sich hinfort damit begnügten, ihren
Kult hinter verschlossenen Türen in dem etwas entweihten Heiligtum des
Wintertivoli zu zelebrieren.
Der Primas Galliens wollte sich durch den Reklamefeldzug der
Brüder Ragon, Rebier und Barginet sowie des Bischofs von Nevers nicht in den
Schatten stellen lassen. 1833 veröffentlichte er eine »Streitschrift gegen die
Praxis der Exkommunikation, verfaßt von Abt Chatel, dem Primas und Bischof der
Kirche Frankreichs, gewählt von Volk und Klerus und feierlich eingesetzt in der
Vorstadt Saint-Martin am Todestag Molieres«. 1835 gab er ein »Französisches
Kirchenhandbuch für die Französisch-Katholische Kirche« heraus, unterzeichnet
von Ferdinand-Francois Chatel, dem alleinigen Gründer der Französischen Kirche,
von Gottes Gnaden und nach dem Willen seiner Brüder Bischof und Primas«. Diese
Schrift enthielt den Wortlaut der Messe in französischer Sprache mitsamt der
Weihe von Wasser, Salz, Brot und Wein, sowie »versförmige Hymnen und
Nachmittagsgottesdienste«. Weiterhin fand sich ein besonderes Hochamt als
»Gedenkmesse für Napoleon, den vielleicht größten Mann, den Gott je erschaffen
habe«. Liberale und Bonapartisten aller Art mußten sich von der Großherzigkeit
und dem Patriotismus des Primas angezogen fühlen. Allerdings kompromittierte
sein etwas zu freizügiges Verhalten, das bald zum Gegenstand von Kritik wurde,
seine Integrität. Zu allem Unglück bekam er noch dazu Schwierigkeiten mit
seinem Klerus. Ein gewisser Auzon, den er zum Vikar der Französischen Kirche
für Clichy-la-Garenne ernannt hatte, erklärte sich zum »vom Volk gewählten
Pfarrer«. Entrüstet über diese Undankbarkeit, beschuldigte ihn der Primas von
der Kanzel aus, ein Verräter, Irrgläubiger und Besessener zu sein. Diesen Bann
erwiderte der Rebell umgehend damit, daß er dem Primas öffentlich verbot, den
Fuß auf das Gebiet seiner Pfarrei zu setzen. Derartig skandalöse Streitigkeiten
waren nicht geeignet, das ohnehin angeschlagene Ansehen der schismatischen
Kirche zu retten; es dauerte nun nicht mehr lange, bis sie an überhandnehmender
Gleichgültigkeit zugrundegingen.
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