The Beginning of a New Conspiracy
Theory
Trotz dieser begünstigten Bedingungen gelang es den Lyoner
Brüdern nicht, ihr Werk zu vollenden. Willermoz versuchte sich darüber heftig
zu rechtfertigen: Er hatte einen Kompromiß zwischen 2 Parteien suchen müssen,
er hatte sich gegen seinen Willen der Mehrheit beugen müssen, es gab
Widerstände von deutschen Brüdern gegen den moralischen Teil und die
erklärenden Instruktionen der französ. Riten....
Die Ausarbeitung eines 6. Grades, der als Vorbereitung für
die Professio gedacht war, war besonders erschwert durch die spezifische
Verfassung der Delegierten. In diesem Grad sollten die divergierenden Neigungen
so schonend behandelt werden, daß sie von der Mehrheit der templ. Brüder
akzeptiert werden würde.
Der Konvent hatte wohl unklugen Liberalismus an den Tag
gelegt und die absurde Arbeitsweise der Kommission hatte die Ausarbeitung der
Grade wie absichtlich erschwert. Die Schlußerklärung von 1. Sept. 1782 hatte
den Provinzen eine einjährige Frist eingeräumt, um seiner Eminenz (Herzog
Ferdinand) ihre Ansichten über die provisorischen Ritualhefte der blauen Grade
mitzuteilen, und sich zu entscheiden, ob sie der Gemeinschaft der Vereinigten
Logen weiterhin angehören wollten, oder einem anderen System beitreten wollten.
Für die Prüfung der Hochgrade sollten sie auch 1 Jahr zur
Verfügung haben, ein Jahr ab Erhalt der Ritualhefte. Da die Hochgrade selbst
aber innerhalb eines Jahres erst ausgearbeitet werden mußten, vergingen wohl 2
Jahre, bis die Oberhäupter des neuen Systems erfahren hätten, wie die
templerischen Freimaurer das Ergebnis dieser schweren Geburt aufnehmen würden.
Der allgemeine Kodex wäre von Jean de Türckheim, Virieu, Bode
und Kortum auszuarbeiten gewesen. Jeder sollte 2 Entwürfe anfertigen. Rosskampf
sollte dann aus all diesen Entwürfen den endgültigen Kodex zusammenstellen. Die
ersten vier Herren wohnten in der obigen Reihenfolge in Straßburg, Paris,
Weimar und Warschau. Rosskampf wohnte in Heilbronn.
Türckheim und Virieu lieferten gar keinen Entwurf ab. Ihre
Lyoner Kollegen brauchten fast 3 Jahre, um die Ritualhefte der blauen Grade
zuammenzustellen. Erst Ende 1786 konnten die Akten der ersten 3 Grade mit
Einvernehmen der Großprofessen Italiens und Straßburgs an seine Eminenz
geschickt werden, der sie dann Anfang 1787 billigte. Die Lyoner Großprofessen
brauchten unglaublich viel Zeit für ihren Teil der Arbeit und ließen sie dann
schließlich liegen.
Den 4. Grad ließen die Lyoner zunächst einmal als
"Zwischenstufe liegen. Sie wollten zu gleicher Zeit mit den 3 blauen
Graden die Grade des inneren Ordens in Angriff nehmen: Novize und Ritter. Der
4. Grad wurde erst von Willermoz selbst 1809 vollendet. Die Instruktion für die
"Ritter" enthielt bislang vermutlich ausschließlich eine Zeremonie,
"wie man einen Kandidaten zum Ritter schlagen könne" mit den
dazugehörigen Eiden und Pflichten, aber keine Unterweisungen, die ihn (wie in
diesem Grad vorgesehen) auf die geheimen Grade vorbereiten sollte.
Zu diesem Zeipunkt kam es zu politischen Veränderungen, sodaß
die Lyoner Mystiker nun andere Sorgen hatten. Die Generalstände wurden
einberufen, aus denen die französische Revolution hervorgehen sollte, die
jegliche freimaurerische Tätigkeit lahmlegte. Einige Mitglieder der Kommission
mußten sich als Delegierte des Bezirks Lyon nach Versailles begeben. 21 Jahre
später schrieb Willermoz an Karl von Hessen, daß die Arbeit liegengeblieben war
und ein günstiger Zeitpunkt, sie wieder aufzunehmen, bis dahin nicht gekommen
war.
Der wahre Grund für das Nicht-Vollenden des Systems von
Wilhelmsbad war aber nicht die französische Revolution, sondern die Erkenntnis.
daß die Theorie der Ritualkommission (und somit auch die auf dem Lyoner Konvents
reformierten französ. Rituale, die offensichtlich von der Ritualkommission als
Grundlage für die neuen Rituale diente) Lücken aufwies. Willermoz kannte ja
nicht einmal alle Instruktionen, die Pasqually hinterlassen hatte. Bacon hatte
ihm 1778 ein Schriftstück verweigert: "Das große Werk von D.M." (Don
Martinez), die Arbeit der Versöhnung von D.M.
Willermoz hatte von Herzog Ferdinand schließlich einen Stapel
schwedischer Grade geborgt und ihn um Auskunft über die Offenbarungen
Swedenborgs gebeten. Er las die französische Obersetzung der Schriften des
Grafen von Thun über den Geist Gabiidon. Weiters hatte er auch in seiner
Eigenschaft als Sekretär der Ritualkommission Gelegenheit, zwei Grade des
llluminatenkapitels von Stockholm zu studieren, den des "Stuartbruders"
und den des Nertrauten Salomonis", deren Ritualhefte der Magnus Superior
Ordinis von Karl von Hessen erhalten hatte.
Die schwedischen Grade hatten Willermoz' Aufmerksamkeit
besonders erregt.
Schon 1779 hatten die Wohltät. Ritter mit des Schwed.
Kapiteln Verbindung aufzunehmen versucht. Herzog von Södermanland hatte an das
Direktorium der Auvergne eine Brief geschrieben, in dem er seinen Wunsch
ausdrückte, die Rektifizierte Maurerei und das llluminatenkapitel von Stockholm
zu vereinigen. 3 Monate später hatte der Herzog von Ostgotland, ein Bruder des
Herzogs von Södermanland, bei seinem Besuch in Lyon die dortigen Brüder noch
einmal aufgefordert, sich mit dem Schwed. Großkapitel in Verbindung zu setzen.
Willermoz lehnte diesen Vorschlag jedoch auf den Rat Baron von Durkheims ab. Es
gab aber laut verschiedener Protokolle danach noch Schriftwechsel zwischen den
beiden Kapiteln (Lyon und Stockholm).
Willermoz interessierte sich weiterhin für den Schwed. Ritus,
insbesondere weil er aus einer Aussage Plessens Grund zur Annahme hafte, daß
die schwedische illuminierte Maurerei und die Wohltät. Ritter in der Lehre
übereinstimmten. Er stellte daher einen Antrag am Konvent, das
"Zinnendorfsche System" genauer zu untersuchen.
In Deutschland war die Mutterloge des schwed. Ritus die
"Große Landesloge von Berlin. Der Österreicher Baedecker, der Mitglied des
schwed. Ritus war, verlas daher am Konvent eine Denkschrift über Ursprung und
Entwicklung des Zinnendorfschen Systems. Damit war Willermoz aber nicht zufrieden.
Jedoch wurde ihm versichert, daß man die höheren Grade des Systems nicht ohne
Schweigegelöbnisse und dgl. verleihen werde. Daraufhin zog Willermoz seinen
Antrag zurück.
Die Berliner Gold- und Rosenkreuzer interessierten Willermoz
nicht so sehr, obwohl Karl von Hessen vor der Vollversammlung bekräftigt hatte,
daß man die Kenntnisse der Berliner nicht vernachlässigen solle. Deren
Denkschrift, die Willermoz schon vor dem Konvent zu lesen bekam, ergab, daß sie
wohl teilweise ähnliche theurgische Grundsätze hatten wie die Auserwählten
Coens.
Sie sprachen von "praktischen Kenntnissen des oberen
Ordens der Kleriker, die ein Wissen besäßen, das von einem Orden von Anfang
aller Zeiten stamme. Sie sprachen jedoch von "faulem Zauber" über die
Praktiken der "Ritter des Wahren Lichts", die aber auch den
Auserwählten Coens ähnelten. Nach Ansicht Willermoz' verkannten sie den wahren
Gottesdienst so, daß er (ein überzeugter Rau Croix) verstimmt war.
Willermoz' leidenschaftliche Anteilnahme zeigte sich bei der
Lyoner Reform der Novizen. Hier verbannte er nicht konkurrierende Riten (wie es
sonst bei den Freimaurern üblich war), sondern er suchte eine Synthese, eine
Mitte aus verschiedenen Erkenntnissen zu finden. Die Mitglieder der
Ritualkommission übernahmen, von Willermoz' Begeisterung mitgerissen, seine
Ansicht. Mit diesem synthetischen Zugang hebt sich der Konvent von
okkultistischen Tendenzen ab! Im Schlußmanifest des Konvents heißt es, daß
seine Unterzeichner "keine Logen und keine Grade für falsch oder der
echten Maurerei zuwiderlaufend erkennen als nur solche, deren Grundsätze mit
der Religion und den guten Sitten und den geselligen Tugenden unverträglich
befunden würden."
Insgeheim hoffte Willermoz, daß einer der 6 Meister, deren
Kollege Pasqually behauptet hatte zu sein, durch unverständliche Teile der
zusammengefaßten Instruktionen angezogen, vielleicht in Erscheinung treten und
diese Instruktionen erklären würde.
Die Kommission für Riten sammelte zunächst Material. Sie
hatte die Akten der Lyoner Reform, die der schwedischen Grade (auch solche des
Illuminatenkapitels von Schweden), die Grade der Str. Obs. und die des
Starck'schen Klerikats.
Die Großprofessen aus Burgund und der Auvergne blieben nach
dem Konvent mit Karl von Hessen in Verbindung, weil sie den Feldzug der
französ. Templer stören wollten.
Willermoz hatte Karl von Hessen noch in Wilhelmsbad in die
drei ersten Coengrade aufgenommen. Dafür erhielt er von Karl von Hessen eine
Skizze über "das neue Jerusalem, den Berg Zion und das Lamm Gottes. Karl von
Hessen gab Willermoz außerdem eine Abschrift der ersten 2 Grade seines Systems,
das er in seiner Geheimloge in seiner Gottorper Residenz errichtet hatte.
Dieses System unterschied sich von dem, das der Landgraf in
seiner Privatloge praktiziert hatte, nachdem er vertrauliche Mitteilungen von
Haugwitz erhalten hatte. Es zeigt sich, daß das Gottorper System von Swedenborg
beeinflußt war bzw. von der "Schule des Nordens", die ihren Sitz in
Kopenhagen hatte.
Die Basis der Schule des Nordens war der Glaube an das
Wiedererscheinen des Apostels Johannes (der mit einer neuen Kirche die des
Petrus ablösen werde). Das ist auch der Hinweis auf den Einfluß Swedenborgs.
Swedenborg war ein schwedischer Seher, der nie versucht
hatte, einen eigenen Geheimbund oder eigene Vereinigung zu gründen. Er war
vielmehr ein "Zeuge". In seinen Werken schildert er seine Reisen in
die über- und unterirdische Weit. Er berichtete von einem Weiterleben nach dem
Tod (Unsterblichkeit des Menschen), und dies sei etwas, was die Kirche , die in
Unwissenheit verharre, erfahren solle. 1ch wurde vom Herrn selbst in die
spirituelle Weit eingeführt", sagte er von sich. Swedenborg spielte auch
auf den Mikro- und Makrokosmos an und die Entsprechung von verschiedenen
Himmelsgegenden zu menschlichen Körperteilen. Seine Auslegung von der
"Dreieinigkeit", wie er die Dreifaltigkeit nannte, stimmte mit dem
Christuskult des esoterischen Christentums überein.
1768 hatte Lavater und 1771 der Herzog Ludwig von
Hessen-Darmstadt versucht, übrigens vergeblich - von Swedenborg zu erfahren,
wie man mit Engeln und Geistern in Verbindung treten könne.
Auch der Herzog von Södermanland war ein glühender Verehrer
seines Landsmannes, ebenso Karl von Hessen, der mit Swedenborg in Briefwechsel
stand. Möglicherweise ist das Gottorper System lediglich die freimaurerische
Umsetzung der Lehre Swedenborgs und möglicherweise war es die Verkündigung
einer baldigen religiösen Umwälzung (etwas, was Swedenborg behauptet hatte),
was Willermoz von Wilhelmsbad mit nach Hause brachte.
Die Ritualhefte, die Karl von Hessen Willermoz überlassen
hatte, enthielten zwar einerseits einen Widerhall des schwedischen Sehers,
andererseits stimmten einige auch mit der Lehre Pasquallys überein.
Auf der Heimreise vom Konvent machte Willermoz in Straßburg
mit Chevalier de Savaron Halt. Dort erklärte er Baron von Durkheim, den
Türckheims und Saltzmann sowie Pastor Blessing den Lehrlingsgrad des Gottorper
Systems. Gleich nach seiner Ankunft in Lyon erklärte er dort dann 8
Großprofessen, darunter Giraud, den ersten Grad desselben Systems. (Lehrling?)
Diese Rituale wurden von allen, die sie erhielten
"aufgesogen". Karl von Hessen hatte den 2. Grad direkt an die
Straßburger Brüder und zu Naselli nach Neapel geschickt. Willermoz, der davon
erfuhr, bat sogleich um Erlaubnis, diese Ritualhefte vor seinen Lyoner Brüdern
zu verlesen, Um die Geheimhaltung besser zu wahren, bat er Karl von Hessen,
Briefe mit Inhalt über das Gottorper System in Zukunft an Jean Frederic
Türckheim nach Straßburg zu schicken.
Für den 2. Grad schlug Willermoz Ende 1782 dem Landgrafen 3
Brüder vor: Chevalier de Grainville (Reau-Croix), den Ritter Bory (ein früherer
Kommandant des Königs) und seinen Neffen. Von den beiden letzten versicherte
er, daß sie schon seit langem Mitglieder des Coenordens gewesen sind.
Mindestens 2 Jahre müssen diese "Geheimtreffen" stattgefunden haben.
("Geheimlogen des Gottorper Systems")
Karl von Hessen verlieh 1784 in Straßburg persönlich einigen
Elsässer Großprofessen, darunter Bernard de Türckheim einige weitere Grade
seines Systems. Der Burgunder Provinzialkonvent (der im August/September 1784
tagte) schrieb an Karl von Hessen und dem Provinzialkapitel der Auvergne ihren
besten Dank und Anerkennung für die vereinten Bemühungen, welche ihnen diese
interessanten Rituale zugänglich gemacht hatten.
Die Lyoner hatten die Erkenntnisse und die Lehre des
Gottorper Systems in das neue Lehrlingsritual eingearbeitet. Das Straßburger
Direktorium schickte dieses it neue" Ritual dem Landgrafen zu. Bernard de
Türckheim bat nun Karl von Hessen auch um die "geheimen Grade".
1786 schrieb Karl von Hessen zurück, er hätte nun eine
Einweihung erhalten, die sein kühnsten Erwartungen übertroffen habe. Dadurch
seien nun alle verschiedenen Erkenntnisse zu einer Einheit gelangt. Darüber
berichtete er auch Haugwitz.
Was Karl von Hessen erfahren hatte war die Bedeutung (die
mystische Kraft) der Worte Christi zur Eröffnung des Abendmahls. Dies
bekräftigte den spezifisch christlichen Ursprung der Freimaurerei ebenso wie
die Existenz einer geheimen, johannitischen Kirche.
Das wahre Wissen sei, so Karl von Hessen, von Johannes, dem Apostel
Christi, auf Christus' ausdrücklichen Wunsch hin bis in die heutige Zeit
überliefert worden usw. usw.... Johannes stelle die dritte Säule des Tempels
dar.
Möglicherweise zeigten die Großprofessen von Lyon und
Straßburg daran kein besonderes Interesse mehr (man kennt ihre tatsächliche
Antworten und Reaktionen aber nicht).
Einerseits hatten die Lehren Swedenborgs bei den
Großprofessen die Anziehungskraft verloren, nachdem sie das Werk Dr.
Chastaniers (1786 in Den Haag erschienen) gelesen hatten: "Theoretisch
begründete Schilderung der himmlischen Lehre". Dieses Werk gelangte zur
Kenntnis der noch bestehenden Gruppen von Schülern Pasquallys und St. Martins
in Paris, Versailles, Rouen und Straßburg und wurde dann wahrscheinlich auch
den Lyoner Brüdern übermittelt.
Der Hauptgrund für die vermutete Gleichgültigkeit der
Großprofessen von Lyon und Straßburg war aber - so Le Forestier - daß sie
bereits seit 2 Jahren Offenbarungen von anderer Seite erhalten hatten, die sie
für bedeutsamer hielten. Sie ließen jedenfalls die Arbeit an den Hochgraden des
Systems von Wilhelmsbad in den Hintergrund treten und verursachten damit dessen
endgültiges Scheitern.
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