Esoterik 1999, P.1
Sprecher der esoterischen Tradition beziehen sich von Zeit zu
Zeit darauf, daß ihre Lehren uralt, sogar
"zeitlos" wären. Einige Religionswissenschafter
und Soziologen, die das Post-New Age und die esoterische Tradition
untersuchten, mögen die historische Entwicklung anders beschreiben als deren
Anhänger, aber sie würden ihnen so weit zustimmen, als sie Parallelen zu
Traditionen herstellten, die bis zum Hermetismus der Renaissance und noch
weiter bis zu Gnostikern, Pythagoreern, und Orphikern zurück reichen. Für
andere Forscher sind derartige Verbindungen aufgrund einer radikalen
Modernisierung der älteren Traditionen eine äußerst vage Angelegenheit.
Beispielsweise argumentiert Wouter Hanegraaff
überzeugend, daß die esoterischen Positionen während
der letzten beiden Jahrhunderte grundlegend verändert wurden, um einen modernen
weltlichen Zusammenhang herzustellen.
Zwischen dem älteren und neueren Esoterismus
bestehen sogar auf der offensichtlichsten, der formalen Ebene, klare
Unterschiede in der Einstellung. Antoine Faiver weist
darauf hin, daß der Esoterismus
des ausgehenden Mittelalters esoterische Spekulationen über die christlichen
Fundamente anstellte, andererseits seien viele Formen des Esoterismus
des 19. und zwanzigsten Jahrhunderts nicht christlich gewesen oder hätten sich
sehr frei auf ihre christlichen Wurzeln bezogen. In der Entwicklung vom premodernen Exotismus zur esoterischen Tradition des l9.
und 20. Jahrhunderts war es zu einer radikalen Veränderung der sozialen und
kulturellen Zusammenhänge gekommen. Die Intellektuellen der Renaissance
verfügten über kein Mittel, um die vorherrschende Sichtweise der als ägyptische
Abhandlungen aus uralter Zeit verstandenen Hermetischen Texte in Frage zu
stellen. Sie verfügten über kein Konzept vom Aufbau der Materie, das es ihnen
erlaubt hätte zu erkennen, daß die beispielsweise
pseudo-chemischen Interprationen der Alchimie
unhaltbar waren. Zwar gab es etwa zahllose auf Vernunft beruhende Argumente und
theologische Attacken gegen die Astrologie, aber keine empirischen
Überprüfungen und kein Verständnis für die soziopsychologischen Mechanismen,
wie sie beim Wahrsagen eine Rolle spielen, aufgrund derer etwa die Astrologie
aus rein rationalen Gründen widerlegt hätte werden können.
Wie Wouter Hanegraaf aufmerksam
machte, scheinen Sprecher des Post-New-Age Sicherheit in der Flucht in einen pre-modernen Glauben und dessen Praktiken zu suchen. Aber
diese Annahme ist in gewisser Weise illusionär. Wenigen Menschen, falls
überhaupt jemandem, der an das mystische Ägypten glaubt, ist der Zugang zu
exoterischen Informationen über die Pyramiden verschlossen. Adepten der
Alchimie werden beinahe gezwungen, sich eine nicht wörtliche Interpretation
alchimistischer Text anzueignen und vermutlich werden sie sich, seit sogar die
elementarste wissenschaftliche Bildung die Auffassung verwirft, Materie könne
durch chemische Prozesse transmutiert werden, für ein Modell C.G.Jung's entscheiden.
Auch die Astrologie, deren Überleben unzweifelhaft ist, hat sich
gewandelt. Ihre premoderne Geschichte ist komplex und
vielgestaltig. Während des späten 18. und der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts wurde sie ihres praktischen Zwecks beinahe enthoben, der darin
bestanden hatte, vorwiegend bezogen auf die Gesundheit eines Individuums weis
zu sagen. Ein philosoph-theosophischer Aspekt der
Astrologie versuchte zu verstehen, wie und weshalb es eine Übereinstimmung
zwischen Planetenbewegungen und dem Leben auf der Erde geben kann. Im 20.
Jahrhundert, in dem psychologische Theorien aufkamen, fanden dann moderne
Astrologen, wie in den Dreißigerjahren Dane Rudhyar,
Zugang zur psychologischen Interpretation.
Während die älteren westlichen esoterischen Traditionen die
kirchlichen Autoritäten als ihre Hauptgegner und zeitweise zum Feind hatten,
kam es während der Aufklärung zum Aufstieg der Vernunft und zu kodifizierten
und institutionalisierten wissenschaftlichen Unternehmungen. Seit damals muß die moderne Esoterik eine Positionen zwischen zwei
oppositionellen Weltsichten einnehmen und sich selbst einer
rational-wissenschaftlichen Ausdrucksweise bedienen. Wie Walter Hangegraaff betonte, überlagerte die Übernahme der
Kausalität von Ursache und Wirkung ältere Konzepte der Esoterik; die
esoterischen Strömungen verweltlichten. Deshalb scheinen heutige esoterische
Positionen zwischen einem auf Verkündigung und einem auf Vernunft beruhenden
Weltbild hin und her zu schwanken. Während die älteren esoterischen Bewegungen
im allgemeinen einer pre-mechanistischen Weltsicht
verhaftet waren, in der alles durch göttlichen Willen geschah, können moderne
Texte über Heilung oder Wahrsagen das Rationale an diesen Künsten mit
Übereinstimmungen - "wie oben so unten" - analog einem Hologramm,
nach dem Mensch und Kosmos einander widerspiegeln - und durch Aufzeigen einer
Ursächlichkeit erklären - subtile durch die Wissenschaft noch unentdeckte
Energien bewirkten die Heilung oder strömten von himmlischen Körpern aus.
Zweitens breitete sich während der Reformation und danach im
intellektuellen Milieu der Fortschrittsglaube aus. Die soziale und biologische
Evolution waren zwei Aspekte dieses eher abstrakten Paradigmas. Auch die
Weltsicht des Meliorismus, dem Konzept, daß sich
Geschichte stetig vorwärts entwickelt und sich Völker zum Besseren entwickeln,
formte manche moderne esoterische Position.
Drittens erlebte das Ende der Periode der Aufklärung ein
beträchtlich erweitertes Wissen über nicht-christliche Religionen. Während der Esoterismus früher versuchte, die christliche Doktrin zu
reinterpretieren oder seine Inspiration aus phantastischen Vorstellungen
relativ naher Kulturen (im Besonderen von Ägypten) bezog, erhielten die
gebildeten Schichten während dem endenden 18. und dem frühen 19. Jahrhundert
sowohl Zugang zu Übersetzungen von Hindu Schriften als auch zur Popularisierung
anderer exotischer religiöser Systeme. Außerdem kam es während der Aufklärung,
die durch eine größere Mobilität geprägt war und die den Weg zur
Individualisierung der zeitgenössischen westlichen Gesellschaften aufzeigte,
nach und nach auch zur Ausbildung einer neuen Ansicht über soziale Hierarchien.
Im esoterischen Bereich führten diese Veränderungen zu einer immer größeren
Mannigfaltigkeit. Mesmerismus und Spiritualismus waren kaum doktrinär und
konnten an die verschiedensten Zwecke spiritueller Unternehmungen angepaßt werden.
Schließlich erlebten zahllose esoterische Bewegungen nach der
Aufklärung, im Besonderen das Post-New Age, eine Verinnerlichung und Verpsychologisierung ihrer Lehren. Alchimie beschäftigt
sich nun weniger mit der Transmutation von Metallen, sondern mehr mit der
Transmutation des Selbst; Astrologie weniger mit dem eigenen Schicksal und mehr
mit der Persönlichkeit; Magie weniger damit, die äußere Welt zu beeinflussen,
sondern mehr damit, die "archetypischen" Elemente in der eigenen
Psyche zu erforschen. Dieser Faktor setzte sich allerdings weniger durch als
die vorher genannten.
Vom späten 19. Jahrhundert an bis heute stellt die religiöse
Landschaft eine verwirrende Arena für Ansprüche und Möglichkeiten dar. Mit der
Ausnahme jener, die sich über die Möglichkeiten, die in der Theosophie Blavatsky's enthalten sind hinaus entwickelten, zeichnete
die wichtigsten Sprecher der verschiedensten Positionen der Esoterik ein alles
verzehrender spiritueller Appetit aus. Sie verschlangen eine immense Anzahl
verschiedenster verfügbarer kultureller Elemente, interpretierten das Material
durch ihr eigenes erklärendes Fachwerk und präsentierten das Ergebnis als
zusammenhängende Lehre. Handbücher über Heilung berichten von Energien als
objektiv existierende Kräfte und nicht bloß als Teil des eigenen Selbst.
Esoterische Geschichte wird als wahr behandelt und nicht bloß als
archetypischer Mythos und Bezugspunkt für die Annäherung an eine Vielzahl
exotisch Anderer, sowie als verläßlicher Bezug auf
die eigene individuelle Erfahrung.
Seit Swedenborg gehören spirituell hoch entwickelte Wesen
anderer Welten mit einer hierarchischen Struktur zum Esoterismus,
wobei Gott zumeist eine relativ geringe Rolle spielt. Wird Gott angesprochen,
ist er/sie/es oft abstrakt, etwa als Urgrund des Seins beschrieben. Zwischen
dem Menschen und dieser schattenhaften Wesenheit, genannt Gott, gibt es eine
Anzahl von Wesen, deren Natur und Status innerhalb der betroffen Hierarchien
sich je nach eingenommener Position unterscheidet. Das mögen Devas, Engel,
theosophische Meister, Brüder aus dem All sein, usw.
Auf diese Hierarchien legen die verschiedenen esoterischen
Strömungen des 20. Jahrhunderts großen Wert. Steiner bevorzugte die Rolle der
Erzengel. Bailey gab theosophischen Meistern den Vorzug, verschiedene New Age
Bücher beziehen sich auf Engel. Ort und Entwicklung jeder Wesensform innerhalb
dieser Konzeption des Kosmos erfolgt nach einem großen Plan. Das träfe
besonders auf menschliche Wesen zu, weshalb Wahrsagen möglich sei. Und weil die
Evolution und deshalb die Zeit selbst der Gottesweisheit entsprechen, ist es
auch möglich, die allgemeine Zukunft der Menschheit voraus zu sagen.
Für die Theosophie ist die Gegenwart ein wichtiger Wendepunkt.
Im Lauf der Zeit wurde der spirit zunehmend in der
Materie gefangen und die gegenwärtige Zeit markiere den Beginn eines gewaltigen
Anstieges von Bewußtsein. Ein Konzept, das die Zukunft
als einen anderen evolutionären Schritt der Menschheit ansieht, ähnelt dem
originalen theosophischen Modell. Andere sagen das Ende der Geschichte, wie wir
sie kennen voraus.
Allgemein gesprochen beinhalten die esoterischen Strömungen eine
gnostische Konzeption des Selbst. Üblicherweise wird unterstrichen, daß wir in uns ein spirituelles oder höheres Selbst
besitzen, einen Teil, der mehr oder weniger genau vom Ego unterschieden werden
kann, jenem Element, von dem wir während des Zustandes gewöhnlichen Bewußtseins annehmen, daß es
unsere Persönlichkeit ausmacht. Oft sind wir uns dieses Höheren Selbst's unbewußt und es bedarf
einer erweckenden Berufung oder spiritueller Übungen, um mit dem, was als
"wahre" Essenz unserer Person bezeichnet wird, in Verbindung treten
zu können. Ein solcher gnostizierter Glaube, der
allerdings in derart unterschiedlicher Form auftritt, wie in den Büchern
"A Course in Miracles", von Solara und der Pop-Psychlogie von
Wayne Dyer, durchzieht die esoterischen Positionen der Siebziger- und
Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts. Dabei handelt es sich jedoch nicht um
Gnostik im historischen Sinn, sondern eher um einen allgemeineren Komplex von
Ideen, die anderen Quellen entstammen als jenen, die während der ersten
vorchristlichen Jahrhunderte im östlichen Mittelmeer-Raum erblühten. Solara's gechannelte Bücher
erheben den Anspruch, wir seien spirituelle Wesen, die sich in der Materie
inkarnierten und die vergaßen, wer wir seien. Und eine der Botschaften in Dyers's "Real Magis"
ist, daß wir ein wahres oder ursprüngliches Selbst
besitzen, das Wunder hervorrufen kann.
In einem psychologisierten Zeitalter ist es vielleicht
natürlich, daß eine Art der Psychologie, zumeist im Jung'schen oder transpersonalen Sinn, Teil der esoterischen
Ansicht von der Persönlichkeit ist. Besonders das Jung'sche
Konzept eines kollektiven Unbewußten als Ort der
Archetypen wurde zu einem Meilenstein in der Weltsicht des Post-New Age. Die
meisten esoterischen Position erheben auch den Anspruch, daß
wir verschiedene Körper besitzen: neben dem physischen gebe es subtilere
Körper. Oft wird der physische Körper als von einer Aura umgeben verstanden,
die man als einen der subtileren Körper identifizieren kann oder auch nicht.
Einer dieser subtilen Körper wird als der Ort der "Energie", der
Chakren, zumeist sieben an der Zahl verstanden. Wie die subtilen Körper, Ego,
Höheres Selbst und die Psyche mit ihren Jung'schen
Komponenten genau miteinander verbunden sind, wird zumeist nur vage angedeutet
oder bleibt der kreativen Darstellung jeder einzelnen Sprachperson der Esoterik
vorbehalten.
Sind wir aus mehreren Komponenten zusammen gesetzte Wesen, wobei
andere Körper als der physische eine wichtige Rolle spielen, dann ist Heilung
etwas ganz anderes als nur die Wiederherstellung der Gesundheit, wie es die
biologische Medizin versteht. Von der Antroposophie
und Edgar Cayce bis zum New Age legte man großen Wert
auf eine ganzheitliche Medizin. Alle Heilungsmethoden inkludierten auf
irgendeine Art spirituelle Aspekte. Um ein Beispiel anzuführen, wird Heilung
durch Reiki nicht nur als Methode physischer Heilung begriffen, sondern enthält
(zumindest für seine Repräsentanten und jene, die es praktizieren) auch den
Glauben an kosmische Energien und die nicht-physikalischen Aspekte der menschlichen
Physiologie.
Glaubenssysteme, für welche die Menschen mehr sind als nur
physische Organismen, sind auch imstande, Theorien einer Existenz nach dem
physischen Tod Raum zu geben. Innerhalb der esoterischen Tradition spielte die
Theosophie eine wesentliche Rolle dabei, alternative Theorien (Swedenberg's und des Spiritualsimus)
durch ein Modell zu ersetzen, das beinahe der Realität eines Melioristischen Modells von Reinkarnation und Karma
entspricht.
Jede Position, welche die Esoterik einnimmt, enthält auch
Spekulationen über die Natur des Wissens. Wie kann jemand "wissen", daß die Menschheit sich aus Atlantis entwickelte, daß wir subtile Körper haben, oder daß
Farben unsere Aura beeinflussen? Das Problem, wie derartiges gewußt werden kann, wird immer zum akuten Problem, bezieht
sich ein esoterischer Repräsentant auf den weitverbreiteten Skeptizismus der
Gesellschaft. Gemeinhin lautet die Antwort darauf, es gebe andere und
vielleicht bessere Möglichkeiten zur Einsicht als unseren Verstand. Möglicherweise
können uns unsere Intuition oder unsere Gefühle leiten. Vielleicht gab es ja
auch alte Kulturen, deren spirituelle Einsichten denen des modernen,
materialistischen Menschen weit voraus waren. Oder gibt es gar eine
übernatürliche Quelle der Weisheit? Der Glaube an derartige Quellen erzeugte
ein beträchtliches Interesse an Botschaften durch Enthüllung, die oft als channeling, als Lesen in einer Art kosmischen Datenbank,
bekannt als Akasha-Kronik oder Buch des Lebens
verstanden werden, oft auch als Folge von Gesprächen mit Geistern, Engeln oder
sogar Gott.
Obwohl heute mehr Menschen als je zuvor höhere Schulen besuchen,
ist der Glaube an Astrologie, Parapsychologie und UFO's
heute (August 2002) so stark wie nie zuvor. Zwischen dem Stand der allgemeinen
Bildung und der Fähigkeit, zwischen Fiction und Realität zu unterscheiden,
scheint es keinen wirklichen Zusammenhang zu geben. Offensichtlich gehorcht die
Vorstellungskraft des Menschen ihren eigenen Gesetzen. Wissenschafter
während des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts nannten die Ausbreitung von
Ideen und Brauchtum von Person zu Person die Epidemiologie geistiger
Vorstellungen. Sie benutzten Mittel der Epidemiologie (wie sich Seuchen
verbreiten) oder der Bevölkerungsbiologie (wie sich Gene und Organismen
ausbreiten), um ein Evolutionsmodell von Kultur und geistigen Vorstellungen zu
erstellen. Wird etwa Studenten der Politikwissenschaft gelehrt, politische
Ideologien beruhten auf Theorien über die menschliche Natur, weshalb basieren
diese dann auf Theorien, die bereits seit dreihundert Jahren überholt sind?
Beispielsweise hatten sowohl die Ideologien der Linken als auch der Rechten
schon Form angenommen, bevor Darwin, bevor Mendel oder irgend jemand anderer wußte, was ein Gen oder ein Neutron oder ein Hormon ist.
Ebenso verhält es sich mit der Geschichte von Kulturen und
Religionen und damit verbundenen esoterischen Vorstellungen und Theorien.
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Die Geschichte der westlichen Kulturen basiert nicht nur auf den
zwei Zwillingssäulen Hellenistische Vernunft und Biblische Religion. Sie ist
auch die Geschichte der Entwicklung und Verbreitung esoterischer Vorstellungen.
Seit Beginn der gegenwärtigen Ära gesellte sich ein dritter Strom geistiger
Vorstellungen von Schulen und Traditionen hinzu, die lose miteinander verbunden
sind: Hermetiker, Alchemisten, Rosenkreuzer,
Okkultisten, Theosophen und Esoteriker. Die moderne Esoterik wurzelt demnach in
einer Zeit, lange bevor die moderne Ära das Licht der Welt erblickte. An ihrer
Wiege standen mehrere Traditionen der Antike und des Mittelalters, spezielle
Theorien und Praktiken aus Alchimie, Astrologie und Magie, sowie gewisse
Denkschulen, wie die Hermetik, der Neoplatinismus
oder die Kabbala. Im hier vorgegebenen Zeitrahmen, werden wir uns jedoch auf
jene esoterische Tradition beziehen, die innerhalb der Strukturen der
Modernität existiert und mit dieser in ambivalenter Wechselwirkung steht.
Inzwischen erschienen zahllose Publikation über z.B. die Magie des Mittelalters
und die Magie der Rennaissance. Aber die am wenigsten
untersuchten und vielleicht widersprüchlichsten esoterischen Traditionen sind
jene, die unserer Zeit am nächsten sind. So weit es Bücher gibt, welche die
Theosophische Doktrin darstellen, dienen diese mit wenigen Ausnahmen dazu,
diese zu rechtfertigen. Ohne auf historische Veränderungen einzugehen, stellt
die überwältigende Mehrheit derartiger Werke die Theosophie als eine
feststehende Anordnung zusammenhängender Doktrinen dar, die den künftigen
Bekehrten auf leicht verständliche Art präsentiert werden. Wissenschaftliche
Biographien gibt es weder von Steiner, Cayce, Bailey,
Martinus, Ballard, Prophet, oder von irgendeinem anderen post-theosophischen
Schriftsteller.
Erkenntnisforscher und Sozialpsychologen führten Studien durch,
die Aufschluß darüber geben, wie es zur
Interpretation einer Erfahrung kommt, wie diese aufrechterhalten wird und
weshalb der Mensch dazu neigt, seine Erfahrungen systematisch falsch zu
interpretieren (Vgl. dazu: M. Piatelli-Palmarini
"Inevitable Illusion", 1994). Auch die
Religionswissenschaft gelangte zu einem neuen Verständnis der religiöser
Erfahrung. Einst galt die mystische Erfahrung als Ausdruck einer die Kulturen
überschreitenden vorherrschenden Philosophie oder von pan-humanitären
psychologischen Charakteristiken, aber heute neigt man immer stärker dazu,
derartige Erlebnisse als die Produkte spezieller doktrinärer Systeme anzusehen.
Dabei werden sowohl die philosophischen Aspekte der religiösen Erfahrungen an
sich, als auch ihre Wechselwirkung zur Macht diskutiert.
Obwohl diese Studie eine Analyse der Wissenskonzepte
beabsichtigt, bin ich nicht sicher, daß die aktuellen
Mechanismen, die der - wenn man so will - Erkenntnislehre zugrunde liegen, auf
der esoterische Theorien beruhen, wirklich in Worte zu fassen sind. Eine Studie
über die aktuellen Prozesse, die zur Entstehung esoterischer Standpunkte
führen, müßte sich der analogen Beweisführung widmen,
die einen entscheidenden Faktor bei der Entwicklung ähnlicher Systeme spielt,
wie sie in der esoterischen Tradition allgegenwärtig sind. Ebenso müßte dem Erkenntnisprozeß und
dem sozialen Prozeß, der zu Aufstieg und Erhaltung
des Glaubenssystems einer esoterischer Tradition und ihren Praktiken führt in
der gleichen Weise Aufmerksamkeit geschenkt werden, wie den aktuellen
Mechanismen, die zu Kirchenspaltung und Weiterbestand der Kirche führten und
neue Standpunkte hervorbrachten, welche die Kirche von ihren historischen
Wurzeln trennten. Eine derartige Forschung würde den Rahmen dieser Untersuchung
sprengen. Deshalb beschäftigte ich mich zuerst nur mit den inhaltlichen Wurzeln
der esoterischen Idee. Im ersten Teil dieser Studie, werde ich kritisch einige
vorherrschende Ideen und Strategien im Bereich der Esoterik, in dem ich seit
etlichen Jahren arbeitete aufzeigen. Der zweite, kürzere Teil, wird sich mit
Ideen der modernen Psychologie beschäftigen. Abschließend folgen Vorschläge,
die künftige Entwicklung betreffend.
Siehe
auch:
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